Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien

Grußwort der Staatsministerin Claudia Roth MdB für die Auslobungsbroschüre zum Wettbewerb „Freiheits- und Einheitsdenkmal Leipzig“

Der 9. November 1989 war ein glücklicher Tag für unser Land, ein Tag der Freiheit und der Freude. Die Bilder jubelnder Menschen an den Grenzübergängen und auf der Berliner Mauer haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Sie gehören zu den schönen Bildern des vergangenen Jahrhunderts, das an schönen Bildern nicht eben reich war.
Im Gedächtnis bleibt uns vor allem, was diese Sternstunde unserer Demokratiegeschichte überhaupt erst möglich gemacht hat: der Mut vieler, die 1989 in Leipzig und andernorts aufstanden, um ihre Zukunft frei und selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.
Erst bei der großen Montagsdemonstration in Leipzig am 9. Oktober 1989 entschied sich, dass dies eine Friedliche Revolution bleiben würde, weil sich die Staatsmacht der DDR in diesen letzten Tagen ihren Bürgerinnen und Bürgern nicht mit Waffengewalt entgegenstellte. Die Erinnerung an die Friedliche Revolution verdient deshalb ein Denkmal im Herzen Leipzigs, wo mit Mut und Überzeugung der Fall der Berliner Mauer vorbereitet wurde. Einen Monat später war es so weit. Die Einheit Deutschlands in Freiheit und die darauffolgende europäische Integration sind ein glückliches Kapitel deutscher Geschichte, das wir zu Recht mit einem sichtbaren Zeichen feiern sollten.

Ich freue mich, dass in Zukunft ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig daran erinnern wird, dass Demokratie kein Geschenk ist, sondern immer wieder neu erkämpft, gelebt und bewahrt werden muss.


Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen

Liebe Wettbewerbsteilnehmerinnen und Wettbewerbsteilnehmer,

die demokratischen Revolutionen in der Geschichte Deutschlands bieten uns bis heute Denkanstöße. Denn die meisten von ihnen haben ihre Denkmale. Die Revolution von 1848/49 lebt an der Frankfurter Paulskirche weiter und ebenso in unserer schwarzrotgoldenen Bundesflagge und unserer Nationalhymne. Die demokratische Revolution von 1918 brachte uns die deutsche Republik, für die die Revolutionäre von 1848/49 gekämpft hatten. Ihr Denkmal sind jene Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung, die in unser Grundgesetz aufgenommen worden sind, dessen 75-jähriges Jubiläum wir vor wenigen Tagen gefeiert haben.

Im Oktober 1989 begann in Sachsen die Friedliche Revolution. Wer ihre Geschichte kennt, weiß, dass sie nicht friedlich anfing, sondern mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Staatsmacht in Plauen und Dresden. Erst in Leipzig am 9. Oktober wurde diese Eskalation beendet. Gebete, Kerzen und der Ruf „Keine Gewalt“ übten eine auch noch in der Rückschau bemerkenswerte Wirkung aus. Seitdem sagen wir stolz: Die Friedliche Revolution, die uns Deutschen wieder die Einheit in Freiheit brachte, ging von Sachsen aus.

Der Sächsischen Staatsregierung ist es ebenso wie dem Deutschen Bundestag ein Anliegen, dieses historische Geschehen in Sachsen und Leipzig mit einem nationalen Freiheits- und Einheitsdenkmal zu würdigen.

An Ihnen, sehr geehrte Wettbewerbsteilnehmer, ist es jetzt, diesem Anliegen künstlerischen Ausdruck zu geben und ein Denkmal zu schaffen, das über Generationen und Moden hinweg zum Nachdenken über unseren Weg in die Freiheit anregt. Im besten Falle gelingt ihm das Meisterstück, immer wieder neu den Wert der Demokratie bewusst zu machen als beste Garantie für Freiheit und den friedlichen Interessenausgleich in einer Gesellschaft, in der jeder Einzelne durch unveräußerliche Grundrechte vor staatlicher Willkür geschützt ist.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und Inspiration bei der Arbeit an Ihren Wettbewerbsbeiträgen.


Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig

„Für mich persönlich war der größte Moment der, als ich ganz allein, ganz für mich durch die Menge gelaufen bin und erst leise und dann immer lauter gerufen habe: Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Ich weiß noch, das war in der Nähe vom Bahnhof. Ich habe Polizei gesehen, aber keine Angst gehabt. Ich habe mich stark gefühlt und die Arme hochgerissen und mir die Seele aus dem Leib geschrien.“

(aus: Lindner/Grüneberger: Demonteure – Biographien des Leipziger Herbst, Aisthesis Verlag Bielefeld. 1992, S. 51.)


Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer des künstlerischen Wettbewerbs um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig,

sich gegen die Macht autoritärer Kräfte zu behaupten und für eigene Wertevorstellungen einzustehen, beginnt oft im Kleinen und mit der Zivilcourage einzelner. Als Anfang September 1989 in Leipzig die Montagsdemonstrationen als Protestkundgebung im Anschluss an das „Friedensgebet“ in der Nikolaikirche begannen, war nicht absehbar, wie viele Bürgerinnen und Bürger an den darauffolgenden Montagen die Kraft und den Mut aufbringen würden, den durch das SED-Regime diktierten öffentlichen Raum gewaltlos zu erobern. Woche um Woche wuchs die Zahl der Demonstrierenden auch in anderen Städten der DDR, bis sich in Leipzig am 9. Oktober 1989 über 70.000 Menschen versammelten und die Autorität des Staates in einer Friedlichen Revolution zum Sturz brachten.

Jetzt und hier stehen liberale Demokratien vor einer Belastungsprobe. Zu verteidigen, was 1989 mutig in einer außerordentlichen historischen Situation erkämpft wurde und im Herzen Europas für unsere demokratische Werte einzustehen, gehört zu den großen Herausforderungen der Zeit. Für das junge, heranwachsende Europa ist es von herausragender Bedeutung, nicht zu vergessen und sich bewusst zu sein, was auf dem Spiel steht.

Wir Europäerinnen und Europäer brauchen zentrale Orte, die uns und unser Selbstverständnis stärken. Die Bürgerstadt Leipzig kann mit ihren zeitgeschichtlich bedeutsamen Orten, ihrer Art des Erinnerns und dem neuen Denkmal ein solcher Kraftort sein, im Herzen Europas für Demokratie, Freiheit und Zivilcourage einzustehen.

Ich wünsche mir deshalb ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig, das Brücken zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schlägt - an einem ungemein spannenden Ort mitten in der Stadt, der selbst gerade Gegenstand einer urbanen Transformation ist. Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz soll das Freiheits- und Einheitsdenkmal mit seiner Form und Nutzung die positive Energie dieses neu entstehenden Stadtraums stärken und damit auch auf das ganz alltägliche Leben seiner Besucherinnen und Besucher wirken.

Liebe Wettbewerbsteilnehmende,
ein Denkmal erzählt im besten Fall Geschichten. Es entfaltet seine Wirkung durch die Möglichkeit des Erlebnisses und der Teilhabe für ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Ich freue mich schon heute darauf, Ihren Entwurf kennenzulernen und wünsche Ihnen von Herzen Erfolg! Vielleicht treffen wir uns bald einmal persönlich an einem inspirierenden Ort, der Platz und Raum für ein junges, starkes und demokratisches Europa gibt.